MSI Immerse GH50 Test

Praxistest …

Der ein oder andere Leser kennt bereits die Vorgehensweise bei den Kopfhörertests, doch handelt es sich beim Immerse GH50 immerhin um einen Hybriden, der sich an der Verortung von Tönen in Computerspielen wie auch an der Authentizität der Musikwiedergabe messen lassen muss. Durch die USB-Anbindung kam erschwerend hinzu, das „Amplifier-Potenzial“ gegenwärtig nicht austesten zu können. Dagegen bieten die Funktionen im MSI Center Anlass für einige spaßige Experimente – denn so interpretieren wir die herstellerseitigen Einstellmöglichkeiten. Bei einem „virtuellen“ 7.1-Klang wird hoffentlich niemand ein ernsthaftes Setup erwarten, welches mit der Aufstellung eines vierstellig kostenden Lautsprechersystems im Wohnzimmer mithalten kann. Wir müssen hier also abwägen zwischen einem bestehenden Marketingversprechen einerseits und den zumutbaren Einschätzungen eines potenziellen Käufers andererseits.

Zum subjektiven Probehören erfolgte eine Auswahl verschiedener Musikstücke unterschiedlichster Künstler und Genres. Die Lieder liegen wahlweise als FLAC-Datei auf dem PC oder in CD-Qualität bei einem bekannten Streamingdienst vor. Dieser Vorgang soll ein möglichst breites Spektrum an Musik abdecken und die speziellen Begabungen und Mankos des Kopfhörers ausfindig machen. Das einzige, preislich einigermaßen in die Richtung des Immerse GH50 tendierende und von uns bereits vorgestellte Produkt ist der HD 599SE von Sennheiser, welchen wir hier zur Anwendung gebracht haben. Nach einigen Probetests kam der P9 Signature von Bowers & Wilkins als deutlich teurerer Proband hinzu, welcher zunächst deplatziert erscheint. Jedoch fiel uns beim Testen eine nennenswerte Parallele zum Immerse GH50 auf.

Klangliche Aspekte – Titel 1
Titel und Band/Musiker My Soul Is Your Soul – Nightcore, Triplo Max und Vanessa Campagna
Immerse GH50 (ohne Effekte) räumliche Vakanz; Stimme deutlich zurückgenommen; dunkles Timbre und regelrecht „dumpfe“ Wiedergabe selbst von spitzen Tönen
HD 599SE hellere und transparentere Stimme mit zärterem Bass impact; hörbare „Lebendigkeit“ des Musikstücks
P9 Signature überlagernder Wiederhall mit vielen, sich unnötig vermischenden Tönen; hohe Präzision bei Stimme und Instrument

Dem Klischee nach hört „der“ junge, dynamische Gamer gerne viel elektronische Musik und auf der Subebene eine bassstarke EDM, Trap und/oder House. Ein wenig müssen wir diese mögliche Ausrichtung MSI zugestehen und das semi-audiophile Gehör für einen Moment betäuben, um uns in den hypothetischen Käufer hineinzuversetzen. (Insbesondere in Bezug auf die roboterhaft gepitchten Stimmeneinwürfe in solchen Songs gestaltet sich das sichtlich herausfordernd.) Da hier kaum Erfahrung bezüglich der Genres bestand, sind wir nach kurzer Recherche hin diversen Playlisten auf Youtube bei „My Soul Is Your Soul“ gelandet. In diesem Fall kam es nicht zur Aktivierung der Effektepalette von MSI, welche gleich behandelt wird. Sofort fällt bei MSI auf, wie die Stimme der Sängerin an ein räumliches Ende stößt und durch die nachfolgenden „Bassknüppel“ etwas in den Hintergrund gerät. Die Stimme wurde in dem Stück bewusst mit einem kleinen Nachhall unterlegt, was ihr etwas mehr Körper verleiht und subbassstarken Kopfhörern entgegenkommt. Viele elektronische Lieder sind bei den Vocals sogar mehrstimmig unterlegt, was dem Spektakel mehr Fülle und Harmonie verleiht. Durch die entsprechende Nachbearbeitung am (digitalen) Mischpult werden die einzelnen Gesänge mit leichter Verzögerung übereinandergelegt und nachbearbeitet. Generell finden bei solchen Liedern deutlich mehr Dinge gleichzeitig statt, als es der Zuhörer für gewöhnlich empfindet. Diese Gleichzeitigkeit muss ein Kopfhörer erst einmal schlüssig darstellen können und „wissen“, welche Elemente wie miteinander interagieren.

Durch den Hörversuch mit „My Soul is Your Soul“ kann die übliche „Badewannenabstimmung“ des Headsets vermutet werden, was mit diesem Genre harmoniert. Höhen und Tiefen wirken dadurch etwas energiereicher, die Mitten dagegen zurückgenommen. Dies war auch der Moment, sich an den P9 Signature zu erinnern, welcher nicht nur über die gleiche Art der Abstimmung, sondern noch dazu über einen ähnlich störenden Wiederhall in kompakter räumlicher Ausprägung verfügt. Etwas plakativ ausgedrückt kann ein toll verarbeitetes 800- bis 1000-EUR-Gerät dieselbe Zielgruppe anpeilen wie ein 50-EUR-Gerät und dabei dieselben tonalen Grundeigenschaften aufzeigen. Eigenschaften, die nach streng audiophilen Kriterien sicherlich nicht erwünscht wären.

„My Soul is Your Soul“ ist sehr stark auf Spaß durch lineare Rhythmik und die Abfolge paketierter Passagen ausgelegt. Wie so häufig bereitet ein „Build-Up“ den den Moment vor, wo sich nach kurzem Soundabfall viele Klangelemente zu einem kleinen Feuerwerk vereinen. Der Gesang spielt in diesem Lied offenbar nur die „zweite Geige“, weil er im Höhepunkt wegfällt. Etwa nach der Hälfte des Lieds tritt ein repititives Fingerschnipsen auf, welches nicht überwältigend detailliert vom Headset aufgelöst wird. Beim P9 tritt die Stimme noch deutlich feiner und vordergründiger auf, überlagert wird diese aber ebenfalls. Die räumliche Entfaltung und der Wiederhall sind hier verbesserungsbedürftig, wenngleich nicht so ungünstig ausgeprägt wie beim Immerse GH50. Instrumente werden vom B&W ebenfalls etwas präziser, also spitz zulaufend präsentiert. Der Detailgrad in der Darstellung einzelner Instrumente ist in dieser Preisklasse eben doch ein anderer. Der Immerse GH50 bietet mehr Wucht im unteren Spektrum, wirkt dabei aber etwas unkontrolliert. Bei all diesen Beschreibungen sei natürlich erneut auf den Preisunterschied hingewiesen. Uns hat die sehr ähnliche, geschlossene Bauart zu einem solchen Vergleich inspiriert. Wir werden das Immerse GH nicht deswegen abwerten, weil es in einem unfairen Wettkampf unterliegt.

Die Luftigkeit eines offenen 599SE fällt unmittelbar nach dem Wechsel von den beiden geschlossenen Kopfhörern auf. Die Stimme hat deutlich mehr Ausbreitungspotenzial im Raum. Dafür fehlt es etwas am nötigen „Wumms“ im Bassbereich und der Präzision eines P9 Signature für die filigraneren Hochtöne. Trotz vorhandener Transparenz und Schärfe besitzt die Stimme immer noch einen Hauch von Wärme, wie wir ihn von Sennheiser schätzen. Insgesamt wirkt das Musikstück auf dem Sennheiser deutlich dynamischer und weniger platt und dunkel als beim Immerse GH50. In Sachen Basskontrolle kann Sennheiser dagegen ebenfalls nicht punkten. Insgesamt bildet der 599SE zumindest im Segment „Kopfhörer“ eine ernstzunehmende Konkurrenz und zeigt die Vorteile eines luftdurchlässigen Gitters hinter den Treibern auf. Dafür kostet er ein paar Euro mehr.

Klangliche Aspekte – Titel 2
Titel und Band/Musiker 8D Heroes – Coopex & New Beat Order x Lunis
Immerse GH50 (7.1-Effekt aktiviert/deaktiviert) 7.1-Effekt unterstützt den ohnehin künstlichen Raumeffekt etwas; die Stimme fällt erstaunlich klar aus; geringfügig mehr Bassfundament
HD 599SE Stimme hell, aber nie kreischend und beinahe so räumlich wie am Sennheiser 800S ohne 8D; Untermalung geradezu plastikartig und bassarm

Selbst wenn wir normalerweise keine komprimierten Youtube-Aufnahmen präferieren, erlaubt uns der Kanal „8D Tunes“ einige nette Versuche, die künstliche Räumlichkeit zu erweitern. Entsprechend des Namens wandert hier die Musik aus acht Richtungen durch den Raum und um den Zuhörer herum. Anscheinend beschäftigt der entsprechende psychoakustische Effekt sogar Forscher, um nach neuen Therapiemethoden zu suchen. Die Auswirkung von Musik auf den Dopaminhaushalt ist hinlänglich bekannt, was mit der korrekten Vorhersage des Gehirns von Klangabfolgen wie etwa mehreren Akkorden in einem Lied korrelieren soll. Das erklärt den Reiz hinter den sich vielfach wiederholenden Refrains. Die Forschung an psychologischen Auswirkungen durch Musik steckt insgesamt trotzdem noch in den Kinderschuhen.

Die Stimme in „Heroes“ lässt sich bei Sennheiser ganz wunderbar verorten und wird sehr klar und sehr luftig abgespielt. Der neben 8D im Raum vorhandene Wiederhall bleibt relativ dezent und steht der Klarheit der Stimme kaum im Weg. Vielleicht mag der Gesang manchem Hörer hie und da etwas zu „dünn“ am 599 SE erscheinen. In Sachen plausibler Positionierung und fließendem Übergang zwischen den Positionen macht er in jedem Fall vieles richtig. Mit deaktiviertem Effekt lässt sich die Verortung des Klangs auch am Immerse GH50 problemlos vornehmen, sodass die Musik erkennbar von links nach rechts hinter dem Rücken „vorbeiläuft“. Erneut wirkt der Raum viel zu kompakt, dimensional in etwa so ausgeprägt wie in einer Besenkammer. Doch wird der femininen Stimme diesmal die nötige Transparenz und Klarheit eingeräumt. Wir haben daraufhin mit „Xear Sound“ einen „großen“ Raum im 7.1-Setting ausgewählt. Hier entfernt sich die Stimme etwas weiter vom Hörer und präsentiert sich noch plastischer, was den ohnehin vorhandenen Wiederhalleffekt weiter verstärkt. Die Lokalisierung im 8D-Raum wird dadurch nicht unbedingt besser und die Stimme verliert etwas an Substanz, so als ob sie sich im Raum in kleinere Bestandteile zersetzen würde. Das mag vielleicht drastisch klingen, doch ist das Resultat durchaus interessant und kaum mit Vokabular zu beschreiben. Denn trotz alledem sticht der „virtuelle“ 7.1-Klang nicht mehr so dominant hervor, wenn mit der Darstellung in 8D ohnehin bereits gespielt wurde. Im Videospiel League of Legends gestaltete sich dier Unterschied zum effektlosen Sound weniger subtil.

Klangliche Aspekte – Titel 3
Titel und Band/Musiker Branches Break – GoGo Pinguin
Immerse GH50 (7.1-Effekt aktiviert/deaktiviert) Klavieranschläge und Kontrabass extrem dumpf; Bass-Drum mit viel Quantität
HD 599SE Stimme hell, aber nie kreischend und beinahe so räumlich wie am Sennheiser 800S ohne 8D; Untermalung geradezu plastikartig und bassarm

Bisher haben wir es dem Immerse GH50 einfach gemacht und die Musik spielerisch oder gönnerhaft ausgewählt. Am Ende kann es trotzdem einen Gamer geben, der in CD-Qualität instrumental reichhaltigen Jazz hören möchte. Dieser hypotethische Interessierte möchte nun wissen, ob er den Immerse GH50 für seine Zwecke nutzen sollte.

Ausgehend von diesem Szenario und weil uns bisher die puristischen Instrumente unter Ausschluss von Vocals und elektronischem Feuerwerk fehlten, haben wir das Musikstück „Branches Break“ gewählt. In „Branches Break“ spielen ganze drei Instrumente (mit der Glöckchen-am-Hihat-Konstruktion vielleicht 3,5). Es bestätigen sich die bisherigen Erfahrungen noch stärker, denn je qualitativ besser die Aufnahme ausfällt, desto dumpfer wirkt die Wiedergabe am Immerse GH50. Die Musik besitzt fast keine Dynamik mehr und lediglich die bereits erwähnten Glöckchen sowie die etwas helleren Tastentöne am Klavier stechen einigermaßen signifikant hervor. Das Lied wirkt plötzlich langweilig und verliert viel von seinem „live-feeling“, den viele High-End-Kopfhörer vermitteln können. Erneut spielt der 599SE deutlich heller und die einzelnen Instrumente verschwimmen nicht zu einem Brei, sondern spielen für sich ihre jeweiligen Stärken aus. Besonders der hinter den schrilleren Klaviertönen etwas benachteiligte Kontrabass lässt sich mit dem Sennheiser schlicht klarer identifizieren. Selbst der natürliche und gewollte Nachhall der jeweiligen Klangkörper war am Immerse GH50 vergleichsweise schlecht feststellbar.

Mikrofon Test in der Praxis …

Zu dem Mikrofon sei noch erwähnt, wie dieses in vollkommen zureichender Qualität Skype-Gespräche überträgt, was an einem Smartphone-Mikrofon nicht besser ausfällt. Sicherlich wirkt es nicht gerade so, als würde der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin direkt vor einem stehen, doch gibt es keinerlei inhaltlichen Informationsverluste. Wer beispielsweise in League of Legends als Jungler von einem Teamkameraden angeschrien wird, weil dieser bei einem feindlichen Gank dringende Unterstützung benötigt, kann die dazugehörige Stimmlage kaum missverstehen. In diesem Sinne kann sich der Gamer mit seinen Mitspielern problemlos austauschen.

MSI Immerse GH50 und Gesamteindruck …